Kleiner OÖ Landeskulturpreis
Neue Kronen Zeitung
Elisabeth Vera Rathenböck
Dienstag 26. September, 1995
Heimat Inszenierung - Gedächtnis ohne Sprache
Die Künstlerin Gabriele Gruber stimuliert in ihrer Rauminstallation „Heimat...ein Bauch“ das Gedächtnis ohne Sprache. Einmal eingetreten in den leerstehenden Vierkanter in Ried im Traunkreis wird man begierig weitergetrieben.
Spuren von nackten Kinderknien, Händen und Katzenpfoten in Ton gedrückt, blutroter Beerensaft, der aus Säcken mit Hollunder in schmalen Rinnsalen trieft, verschleiert mit süßem Duft den Raum, in dem früher geschlachtet wurde. Den letzten Schrei des Tieres im verführten Ohr geht man weiter. Die Miniaturkirche im Schneegestöber, der Schlüsselbund und andere Ingredienzen für versprochene Träume warten auf ihre Entzauberung.
Ohne sentimental zu sein eröffnet Gruber die Bilder der Kindheit, so wie sie sich in ihr festgesetzt haben. Unmittelbar, sinnlich und auf Markantes reduziert, bleiben die Raumbilder doch präzise Dokumente über das „Erinnern aus dem Bauch“.
Der wunderschöne Beitrag zum Festival der Regionen ist noch bis 1. Oktober zu sehen.
Das Projekt Heimat ... ein Bauch hat durch die Umsetzung der persönlichen Befindlichkeit der Einzelkünstlerin die soziale Befindlichkeit einer ganzen Region präzise getroffen und mit assoziativer künstlerischer Arbeit eine unvorhersehbare Reaktion in der Bevölkerung hervorgerufen.
Jurybegründung, Kleiner OÖ Landeskulturpreis für initiative Kulturarbeit
Die Arbeit von Gabriele Gruber-Gisler fällt auf durch die Verwendung von Fertigwaren (Pizzateller) als Bildgrund für ihre Botschaft, die aus persönlichen Notizen, Alltagsaufzeichnungen und einem deutlich formulierten Spruch besteht".
Jurybegründung, Salzburger Keramikpreis, 2001
Frau Gabriele Gruber aus der MK Keramik ist mir seit Jahren als Studentin bekannt und wird von mir wegen ihrer konzeptionellen Phantasie und experimentellen Vielfalt in ihren Arbeiten geschätzt. Darüber hinaus halte ich sie in der Umsetzung ihrer Ideen für ausdauernd, präzise im Detail und in unterschiedlichen Materialien und Medien erfahren.Ihr Projekt "im Doppelglück von Kunst und Leben" für das Festival der Regionen im August 1997 verbindet in origineller und witziger Weise künstlerische Produktion mit der Überlebenspraxis von Künstlern und Künstlerinnen. Frau Gruber weist damit auf eine innere wie äußere Bezogenheit von Alltag und Kunstpraxis hin, die in unserer Zeit nicht nur als kunstspezifische Existenzform auftritt, sondern auch dem kulturbewussten Kunstkonsumenten allgegenwärtig ist.
Das Konzept der Künstlerin gibt Anlass zur Reflexion und Sensibilisierung und hat eine interaktive Komponente (Postkarten, die weitergeschickt werden,etc.) die die Betrachtenden auf eine zeitgemäße Gestalt der Problematik von Kunst und Leben aufmerksam macht; dieser aktive wie zufällige Betrachter soll durch die Arbeit von Frau Gruber als jemand angesprochen werden, der Kunst akzeptiert, versteht oder abwehrt.
Indem sie Objekte entwirft, die auf den jeweiligen Ort und die spezifische Situation bezogen - den dort vorhandenen Gegenständen ähneln und vielleicht erst auf den zweiten Blick als Kunstwerke erfahren werden, entwirft Gabriele Gruber eine unaufdringliche Präsentations- und Existenzform von Kunst. Derart wird auch dem alten kulturhistorischen Begriff der Mimesis eine neu , für das aktuelle Kunstgeschehen sinnvolle Bedeutung verliehen.
Ich halte das vorliegende Projekt für qualitätvoll und unterstützungswürdig und traue der Antragstellerin eine professionell und gediegene Umsetzung zu.
HProf. Dr. Herbert Lachmayer